Milch ist das jüngste Lebensmittel auf dem menschlichen Speiseplan. An Jugend wird es nur von Gen-Food übertroffen, das entwicklungsgeschichtlich betrachtet noch im Embryonalzustand steckt. Weil Milch erst seit kurzer Zeit eine Rolle in der menschlichen Ernährung spielt, sind wir global gesehen ungenügend an sie angepasst. Um das zu verstehen, genügt ein Blick in die jüngere Vergangenheit allein nicht. Wir müssen mit der Evolutionsgeschichte beginnen und anthropologische Erkenntnisse über die Ursprünge des homo sapiens einbeziehen. Erst dann lässt sich nachvollziehen, wie neu die moderne Milchernährung in Wirklichkeit ist.
Menschen werden heute zu den Omnivoren (Allesessern) gezählt, weil sie sich ebenso von pflanzlicher wie von tierischer Kost ernähren können. In unseren Ursprüngen waren wir jedoch ganz auf pflanzliche Nahrung eingestellt. Anhand der Entwicklung von Gebissen gefundener Urmensch-Fossilien ist dies zu erkennen und ferner an physiologischen Gegebenheiten, wie unserer Unfähigkeit Vitamin C im Körper selbst herzustellen. Dies gilt als typisches Merkmal aller Pflanzen(fr)esser. Denn wer sich von Pflanzen ernährt, erhält quasi nebenbei eine ausreichende Vitamin-C-Versorgung, die eine eigene Synthetisierung überflüssig macht. Auch haben wir den für Pflanzen(fr)esser typischen langen Dünndarm mit Zotten. Im Vergleich zu den Primaten hat der Mensch den längsten Dünndarm und den kürzesten Dickdarm. Karnivoren (Fleischfresser) dagegen besitzen nur kurze glatte Verdauungsschläuche, damit schädlicher Eiweißverwesung vorbeugend, das tierische Eiweiß möglichst schnell ausgeschieden werden kann. Wir Menschen sind physiologisch also noch heute eher Pflanzenesser. Aus den Verhaltensforschungen über Menschenaffen, die als Pflanzenfresser gelten, wissen wir jedoch, dass diese gelegentlich mit großer Freude und Genuss auch Fleisch von größeren Tieren verspeisen. Ähnlich wird man sich unsere Ursprünge vorstellen dürfen: grundsätzlich pflanzliche Kost mit gelegentlicher Einlage tierischer Proteine. Diese Kost war wohl die geeignetste, um uns zum homo sapiens zu entwickeln.
Worin bestand nun diese Kost im Einzelnen? Der Speiseplan sah Knollen, Wurzeln, Grünzeug wie Binsen und Riedgras, Samen, Nüsse und Beeren vor, ferner Käfer, Schnecken, Insekten, Muscheln und Eier der verschiedenen Vogelarten, neben Fisch und Fleisch von Kleintieren eines unserer ältesten tierischen Nahrungsmittel. Viel früher als gemeinhin angenommen, nämlich seit ungefähr 1,5 Millionen Jahren kennen Hominiden das Feuer. Seither hat man immer weniger rohe Lebensmittel gegessen, dafür mehr zubereitete, gegarte, also erwärmte Nahrungsmittel, überwiegend jedoch pflanzliche, zum geringeren Teil auch tierische. Tierische Kost in Form von größeren Tieren nahm erst im jüngeren Paläolithikum zu, parallel zur weltweiten Entwicklung der Jäger- und SammlerInnenkulturen. Aber auch hier dominierten tierische Proteine noch nicht. Die gesammelte, pflanzliche Nahrung hat immer etwa 70 % - mit Abweichungen nach oben und unten - der Gesamtnahrung ausgemacht. Manche Forscher vermuten allerdings eine zeitweilig überwiegende oder sogar ausschließliche Ernährung von Großtieren. Sofern diese in Mittel-, Südeuropa und Vorderasien überhaupt stattgefunden hat, ist sie eine Sonderentwicklung, die zeitlich in den letzten Abschnitt der Altsteinzeit fällt. Diese Periode war, was die Ernährung und die kulturelle Entwicklung angeht, bereits differenziert und lässt partielle Fehlentwicklungen erkennen, die ganze Gesellschaften an den Rand des Ruins gebracht haben. Denn Menschen, die sich allein von magerem Fleisch ernährten - und Wildtiere hatten kaum Fett - litten auf Dauer an gravierenden Mangelsyndromen. Als begrenzender Faktor für den Fleisch(protein)verzehr wird allgemein die körpereigene Fähigkeit zur Ammoniakentgiftung angesehen. Danach kann ein Proteinanteil in der Nahrung von maximal 30 % auf lange Sicht schadlos vertragen werden.
Als sich aus den nomadisierenden Jäger- und SammlerInnenkulturen ab etwa 10.000 v. Chr. langsam Viehzucht und Ackerbau betreibende sesshafte Kulturen entwickelten - man bezeichnet diesen Vorgang als neolithische Revolution, traten zusätzlich ernährungsbedingte Fehlentwicklungen auf. Denn durch die sesshafte, Ackerbau- und Viehzucht betreibende Lebensweise wurden Überschussproduktion und als Folge davon einseitige Ernährung im großen Stil überhaupt erst möglich. Aus der archäologischen Forschung sind viele Hinweise auf solche Fehlentwicklungen bekannt.
Kenneth F. Kiple, einer der Herausgeber des "The Cambridge World History of Food", der im Jahre 2000 erschienenen, weltweit wohl größten Enzyklopädie über Ernährung, hat die Periode so beschrieben:
"…Paradoxerweise hat die höhere Nahrungsproduktion, die durch Viehzucht und Ackerbau möglich wurde, zu Umbrüchen in der Ernährung und zu Defiziten geführt. Es scheint gerade in Bezug auf die menschliche Gesundheit so, dass die vielen neolithischen Revolutionen weltweit, mit denen der Ackerbau erfunden und immer wieder neu eingeführt wurde, im kollektiven Bewusstsein der Menschheit als die größten Errungenschaften überhaupt verankert, tatsächlich Schritte rückwärts waren. Mehr noch, wenn wir uns in Erinnerung rufen, dass der überlegene Ernährungsstatus der Jäger- und Sammlergesellschaften gegenüber ihren sesshaften Nachfahren ohne die zwei Nahrungsgruppen, die wir heute als Grundnahrung ansehen - Getreide- und Milchprodukte - die erst infolge der neolithischen Revolution eingeführt wurden, erreicht und aufrechterhalten wurde, dann stellt die Überlegenheit der Jäger- und Sammlergesellschaften eine absolute Häresie gegenüber landläufigen Ernährungsdogmen dar…"
Im Rahmen der neolithischen Revolution, die sich weltweit in einem Zeitfenster von etwa 7000 Jahren abspielte, vollzogen sich in der menschlichen Ernährung gravierende Veränderungen. Tierische Nahrungsmittel - Fleisch, Milch, Eier - und pflanzliche Nahrungsmittel - Getreide, Gemüsepflanzen, Obst - kamen erstmals oder in einem bis dahin nie gekannten Umfang auf den menschlichen Speiseplan. Es begann mit der Domestizierung von Haustieren ab ca. 10.000 v. Chr., die eine kontinuierliche Zunahme tierischer Nahrungsmittel ermöglichte, in erster Linie Fleisch. Ab schätzungsweise 7000 v. Chr. wurde dann langsam Getreideanbau und Gartenbau üblich. Schließlich folgte als Letztes die Milch der Haustiere, für die erst ab etwa 5000 v. Chr. gezielte Produktion und Verarbeitung nachgewiesen ist.
Fleisch und Vogeleier hatten in der menschlichen Ernährung schon lange eine Rolle gespielt, Milch bis dato überhaupt noch nicht. Bei den pflanzlichen Nahrungsmitteln waren die Getreide die Neulinge, denn gesammelte Wurzelnahrung und Grünzeug kannte man ebenfalls schon lange. Alle Getreidearten und Milchprodukte müssen als neue Nahrungsmittel in der menschlichen Ernährung im Zuge der neolithischen Revolution angesehen werden. Heute haben sie die Stellung von Grundnahrungsmitteln eingenommen. Die Zeit, die wir zur Anpassung an diese Nahrungsmittel hatten, ist entwicklungsgeschichtlich gesehen recht kurz. Unsere Adaption ist längst noch nicht abgeschlossen. Es verwundert insofern kaum, dass Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien gegen Milch- und Getreideprodukte sehr ausgeprägt sind. Von beiden Grundnahrungsmitteln ist die Milch das jüngere. Die Adaption an Milch ist global gesehen am wenigsten fortgeschritten, nur bei den weißen kaukasischen Menschentypen dominiert sie. Der überwiegende Teil der heute lebenden Menschen ist an Milch als Nahrungsmittel noch immer nicht angepasst…
Die Liste der beobachteten Krankheiten durch Milch- und Käsegenuss ist lang und deckt sich mit dem, was heutige Milchkonsumkritiker beschreiben:
Von einigen Klöstern des frühen Mittelalters ist bekannt, dass dort Käse hergestellt wurde. Meistens handelte es sich um Ziegenkäse, da Kühe, wenn sie überhaupt gehalten wurden, als Fleischlieferanten und Feldarbeitstiere dienten und noch nicht wie heute als Milchvieh. Auch Ziegen wurden in erster Linie als Fleischtiere gehalten, wegen ihrer geringen Milchleistung erst in zweiter Linie als Milchtiere.
Das Verhältnis zum Käse war auch in dieser Zeit sehr zwiespältig. Käse galt in Kreisen der Klöster als ungesund, leider aber auch als schmackhaft. Zur Zeit Hildegard von Bingens (1098 bis 1179) kannte man nur Ziegenkäse. Kuhkäse war weitgehend unbekannt. Butter vom Rind wurde zu Hildegards Zeiten wie bei Griechen und Römern eher als Salbe eingesetzt, was auf geringe Kuhmilchmengen hindeutet, die zur Herstellung von Käse kaum ausreichten. Bei Hildegard findet sich wie in der antiken Medizin das Verbot, Ziegenkäse an Epileptiker zu verabreichen.
Der Grund, warum gerade Milch neben der Wasserversorgung als Infektionsherd ausgemacht wurde, war das Auftreten von Epidemien sowohl in wohlhabenden, hygienisch besser gestellten Haushalten als auch in ärmeren. Da die wohlhabenderen bekanntermaßen mehr Milch konsumierten als die ärmeren Schichten, dachte man zwangsläufig an die Milch. Dies führte Anfang des 20. Jahrhunderts dazu, dass Forderungen nach einer spezifischen Erhitzung (Pasteurisierung) der Molkereimilch und höheren Hygienestandards erhoben wurden. Ein genereller Erhitzungszwang für Milch, die zum menschlichen Genuss bestimmt war, wurde durch die Jahre bis zum Ersten Weltkrieg heftig diskutiert, scheiterte jedoch letztlich an den Konsumenten, die große Vorbehalte gegen das Erhitzen hatten. Die meisten Menschen waren nämlich der Auffassung, dass pasteurisierte Milch nicht mehr nach Milch schmeckte. Sie bekam durch die damals hohen Pasteurisierungstemperaturen von über 85 °C einen Kochgeschmack. Die in den Molkereien auf freiwilliger Basis pasteurisierte und sterilisierte Milch konnte sich allein wegen dieser geschmacklichen Minderwertigkeit gegenüber herkömmlicher Milch nicht durchsetzen. Außerdem galt es als Makel, dass von pasteurisierter Milch kaum mehr Rahm abgeschöpft werden konnte, denn noch immer war das Fett das Wesentliche an der Milch. Milch, aus der kein Rahm gewonnen werden konnte, war nach damaligem Verständnis wertlos; man war nicht bereit, dafür Geld zu zahlen. Außerdem wurde die Pasteurisierung als Konservierungsmethode betrachtet, und Konservierung hatte allgemein einen schlechten Ruf. Hinzu kam ferner, dass pasteurisierte Milch damals teurer war als unbehandelte; heute ist das genau umgekehrt. Ein Grund, warum sich pasteurisierte gegenüber normaler Milch nur langsam durchsetzte, war folgende simple Überlegung: Eine Molkereierhitzung und damit die Reduzierung schädlicher Keime ließ sich durch einfaches Abkochen der Milch im eigenen Haushalt bewerkstelligen. Warum sollte man eine Konserve, also pasteurisierte, 'gekochte' Milch teuer einkaufen?
Die von der englischen Geochemikerin Jane Plant auf der Grundlage des "Atlas der Krebssterblichkeitsrate in der Volksrepublik China" und WHO-Statistiken vergleichend dargestellten Brust- und Prostatakrebsraten innerhalb Chinas, Japans, Thailands und westlicher Länder zeigen die überproportionale Häufigkeit der Erkrankungen in den westlichen Ländern gegenüber den asiatischen und innerhalb dieser Länder ein Stadt-Land-Gefälle in westlich orientierten Städten Asiens. Umweltbelastungen in asiatischen Städten generell können daher keine allein ausschlaggebenden Faktoren sein. Milchprodukte, deren Konsum in bestimmten chinesischen und japanischen Städten als Ausdruck westlichen Lebensstils stark zugenommen hat, bestätigen sich offenbar als entscheidender Faktor. So wird in China Brustkrebs umgangssprachlich als Reiche-Frauen-Krankheit bezeichnet, weil sich nur Wohlhabende westliche Nahrungsmittel leisten können. Und die Wohlhabenden sind es auch, die erkranken. Asiatische Vorstellungen von westlichen Nahrungsmitteln beziehen sich hauptsächlich auf Milch, Eiskrem, Schokoladeerzeugnisse und Käse, also Milchprodukte. Erst in der jüngeren Vergangenheit kamen Coca Cola, Mac und Burger hinzu. Japanische Wissenschaftler bestätigten in einer im Jahre 2003 veröffentlichten Studie, dass die gravierenden Lebensstilveränderungen in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg wahrscheinlich im Zusammenhang mit der parallel dazu gestiegenen Brustkrebshäufigkeit stehen. Milch und Milchprodukten komme, so die Studie, dabei eine besondere Rolle zu.
Eine ganze Reihe neuerer Studien von der Harvard-Universität aus den USA, aus Großbritannien und Frankreich stellen ernstzunehmende Beziehungen zwischen Prostatakrebs, Milch und Kalzium her. Die Vorstellung, warum Milchkonsum zum Prostatakrebswachstum im fortgeschrittenen Stadium beiträgt, ist Folgende: Hohe Kalziumkonzentrationen im Blut unterdrücken die Bildung von Vitamin-D. Letzteres ist für eine Differenzierung gesunder Prostatazellen notwendig und trägt zur Verhinderung von Zellwucherungen bei. Fehlt es, kann sich krankhaftes Zellwachstum gegenüber dem gesunden beschleunigen. Über diesen Weg - Behinderung der Vitamin-D-Synthese - kann hoher Kalziumkonsum, z. B. durch viele Milchprodukte, zur Beschleunigung des Tumorwachstums bei Prostatakrebs beitragen.
Das auffällige europäische Nord-Süd-Gefälle bei der Herausbildung eines Genotypus, der Laktase als Erwachsener bildet, wird mit der Vitamin-D-Bildung durch das Sonnenlicht erklärt:
Menschen benötigen für die Kalziumaufnahme durch die Dünndarmwand ins Blut Vitamin D in Form von 1,25-Dihydroxycholecalciferol. Vitamin D, tatsächlich kein Vitamin, sondern ein Hormon, ist sozusagen der Kalziumtransporteur des Menschen. Es wird in einem komplizierten Prozess in verschiedenen Schritten aus Cholesterin zunächst durch den Einfluss von UV-Licht über die Oberhaut, weiter über die Leber und zuletzt in seiner aktiven Form in den Nieren gebildet. Ohne Sonnenlicht würde dieser Prozess nicht in Gang kommen. Menschen, die nur geringer UV-Strahlung ausgesetzt sind, produzieren auch weniger Vitamin D und verfügen nur über eine geringe Kalziumresorption. Kalziummangel des Organismus ist die langfristige Folge.
Kalzium ist einer der wichtigsten Mineralstoffe für den Menschen, er ist Baustein von Knochen und Zähnen und spielt für die Funktion von Muskeln und Zellen eine wichtige Rolle. Längerer Kalziummangel führt zu Knochenerweichung (Osteomalazie), bei Kindern Rachitis genannt, Knochenentkalkung (Osteoporose) und tetanischen Anfällen. Leicht nachzuvollziehen ist daher, dass Populationen, die unter Kalziummangel leiden, im Evolutionsprozess benachteiligt sind.
Vitamin D ist schon in geringen Mengen wirksam und zu viel davon kann sogar tödlich sein. Der menschliche Organismus verfügt daher über ein ausgeklügeltes Regelungssystem, um ein Zuviel des Vitamin D zu verhindern. Eine dieser Regelungsmechanismen ist die Pigmentierung der Haut. Menschen sind umso dunkelhäutiger, je mehr sie dem UV-Licht ausgesetzt sind, weil die dunkle Pigmentierung die Hautdurchlässigkeit für UV-Strahlen verringert. Folglich sind in den Regionen, in denen die Sonnenlichteinstrahlung niedrig ist, die Menschen weniger pigmentiert, also in den nördlichen Regionen dieser Erde. Die Haut muss im Norden heller sein, um mehr UV-Strahlen durchzulassen. Die Laktase-Lichtthese geht nun davon aus, dass bei der Ausbreitung des homo sapiens, der zunächst dunkelhäutigen Menschen von Afrika aus in nördliche Gebiete mit niedriger Sonneneinstrahlung, die Haut ihre Pigmentierung verlor, um mehr UV-Licht absorbieren zu können und damit die Vitamin-D-Versorgung zu gewährleisten.
Möchten Sie wissen, was unsere Vorfahren vor 110 Jahren von der Milchkühlung hielten?
"Einige Händler lehnten den Kauf gekühlter Molkereimilch 1897 ab, mit dem Bemerken, dass nicht allein eine Verspätung der Lieferung die Folge davon sein würde, sondern durch die Behandlung im Kühlapparat das Aroma der Frische von der Milch verloren gehe."
Nicht nur die Wärmebehandlung, auch die Kühlung hat gravierende Auswirkungen auf einzelne Milchbestandteile. Besonders die im Produktionsprozess notwendigen mehrmaligen und erheblichen Temperaturschwankungen - schnelle Kühlung und schnelle Erwärmung mit ganz unterschiedlicher Temperaturhöhe - stressen die Milch und führen zu irreversiblen Veränderungen. Dabei sind es vor allem die Kaseinmizellen und die Fettkügelchen, die sich verändern: Bei Kühlung lösen sie sich zwar nicht auf, geben jedoch einzelne Bestandteile an das Milchplasma ab. Außerdem erhöht sich die Enzymaktivität der Milch durch Kühlung erheblich.
Die Fettschädigungen durch Kühlung fangen schon bei der Erzeugung an, denn bereits Fütterung und Haltung haben Einfluss auf Struktur und Stabilität der Fettkügelchenmembran. Stallhaltung und -fütterung führen zu kleinen Fettkügelchen mit anfälligerer Hüllenstabilität, während Weidefütterung zu großen Fettkügelchen mit höherer Hüllenstabilität führt. Durch die langen Intervalle bei der Milchabholung muss die Milch beim Erzeuger in Tanks gelagert und gekühlt werden. Die Zuführung des jeweils folgenden frischen und warmen Gemelks erhöht kurzfristig die Temperatur im Tank. Diese relativ geringen Temperaturschwankungen führen zu irreversibler Pfropfbildung und rascherer Fettspaltung. Später, in der Molkerei, müssen diese Veränderungen durch spezielle Bearbeitung oder Zusätze wieder rückgängig gemacht werden.
Die XO-Faktor-These, die sich mit der Xanthinoxidase (XO) beschäftigt, einem Enzym, das in Kuhmilch in weitaus höherer Konzentration vorkommt als in jeder anderen Säugetiermilch, basiert im Wesentlichen auf der These von der Einschleusung dieses Enzyms in den Darmtrakt mittels Verkapselung. Sie geht davon aus, dass diese Enzyme ohne ihre Freilegung durch die Homogenisierung noch immer zum großen Teil in den natürlichen Fettkügelchen versteckt wären, was ihre biologische Verfügbarkeit erheblich reduzieren würde.
Das Enzym Xanthinoxidase existiert natürlicherweise auch im menschlichen Körper, allerdings zirkuliert es nicht frei im Blut, sondern ist in bestimmten Organen lokalisiert. XO wird in der Leber gebildet, kommt in größeren Mengen in der Schleimhaut des Dünndarms vor, ferner in Nervenzellen und sie spielt im Purinstoffwechsel eine wichtige Rolle. Eine zu hohe Aktivität der XO führt zu Gicht.
Die Annahme ist nun die: Freie im Blut zirkulierende XO oxidiert die Plasmalogene, Fettstoffe, die ähnlich wie Mörtel eine Mauer, die Zellmembranen zusammenhalten. Ganz besonders sind die Herzmuskelzellen und Arterienwandzellen von Plasmalogenen umgeben, um sie elastisch zu halten. Freie XO im Blutkreislauf reagiert mit den Plasmalogenen im Körper, oxidiert und wird als oxidiertes Fettaldehyd ausgefällt. So verschwinden die Plasmalogene, was besonders an Arterien und am Herz zu Schäden führt. Um die Gefäßwände zu schützen, lagern sich in der Folge andere Fette daran an, hauptsächlich Cholesterin. Die Ablagerung des Cholesterins kann insofern als natürlicher Reparaturmechanismus des Körpers gesehen werden, als eine Art Pflaster für die fehlenden Plasmalogene.
Zusammenhänge dieser Art werden seit den frühen 1970er Jahren diskutiert. Die beiden amerikanischen Forscher Kurt Oster und Donald Ross, Kardiologe und Bio-Chemiker, haben 1973 ihre ersten Forschungen zum XO-Faktor veröffentlicht. Im Jahre 1983 erschien ihr Buch "Der XO-Faktor". Darin werden Osters langjährige Forschungen und Experimente beschrieben, für die er auf den deutschen Biochemiker Robert Feulgen zurückgreifen konnte, der in den 1930er Jahren das Plasmalogen entdeckt hatte. Kurt Oster studierte an der Universität Köln, wo er auf Feulgen und sein Forscherteam traf.
Während der industriellen Produktion ist die Joghurtmilch großen Temperaturschwankungen ausgesetzt, was bei natürlicher, handwerklicher oder hausgemachter Produktion nicht der Fall war. Vielmehr noch: Um eine im heutigen Sinne gute Joghurtkonsistenz zu erhalten, ist eine völlige Denaturierung der Molkenproteine notwendig. Nur durch normale Pasteurisierung, der die Werkmilch bereits ausgesetzt war, wird dies nicht erreicht. Zur Joghurtherstellung wird daher eine weitere Wärmebehandlung, meist nach der Homogenisierung, mit höherer Temperatur (95-98 °C) und längerer Heißhaltung (etwa fünf Minuten) durchgeführt. Die Joghurtmilch wird praktisch gekocht, damit anschließend die meisten Molkenproteine ausgefallen sind. In der Folge erhält man ein festes, gut wasserbindendes Joghurtgel. Mitunter wird es so beschrieben: Das Eiweiß platzt bei so hohen Temperaturen auf und nimmt die gesamte Molke, die sonst abfließen würde, auf. So haben auch Produzenten von 'natürlichem, weißem' Joghurt den Vorteil, keinen Molkenabfall entsorgen zu müssen, sondern ihn im Joghurt gebunden mitverkaufen zu können; ein äußerst rationelles und gewinnbringendes Verfahren, das als wesentliches Element der Milchtechnologie gepriesen wird. Die Gesundheit von VerbraucherInnen, die an ein noch relativ natürliches Produkt glauben, ist dabei offensichtlich nicht bedacht worden.
Molke, eine gelblich grüne Flüssigkeit, verdankt ihren früheren Namen Käsewasser der Tatsache, dass sie bei der Herstellung von Käse und Quark anfällt. Sie besteht ungefähr zu 94 % aus Wasser, der Rest ist Milchzucker (4,5 %), Molkeneiweiß (1 %), etwas Restfett und -kasein. Molke schmeckt schon in frischem Zustand etwa so wie sie aussieht; sie verdirbt innerhalb kurzer Zeit und ist schon nach ein paar Stunden eine für Mensch und Tier ungenießbare Brühe. Weil sie nicht haltbar ist, war sie in der Vergangenheit als Nahrungsmittel ohne Belang und wurde, wenn überhaupt, nur an Tiere verfüttert. Der schnelle Verderb der Molke bewirkte jedenfalls, dass sie entweder gar nicht oder nur sehr frisch genossen wurde.
Traditionell gilt Molke als Abfall.
Dieser Abfall fällt weltweit in riesigen Mengen an, jedenfalls in allen Milchländern. Die Menge wird statistisch nur unzureichend erfasst. Sie kann auf weit über 150 Millionen Tonnen jährlich geschätzt werden. In den amtlichen Statistiken wird lediglich das aus flüssiger Molke hergestellte Molkenpulver, das nur der 'Instant'-Teil der einstigen Menge ist, dargestellt. Eine Vorstellung von dem gigantischen Problem gewinnt, wer sich die Zahlen des produzierten Molkenpulvers betrachtet: Im Jahr 2005 sind es weltweit 2,3 Millionen Tonnen gewesen. Diese Menge entsteht infolge der hohen Käseproduktion in den Milchländern, die in den letzten Jahren dramatisch zugenommen hat. Europa steht mit weit mehr als der Hälfte vom weltweit anfallenden Molkenabfall an der Spitze, gefolgt von den USA, Australien und Kanada.
Das eigentliche Problem mit der Molke ist, dass sie nicht einfach ins Abwasser eingeleitet werden kann, denn sie vergiftet das Wasser, die Fische und Mikroorganismen. Es müsste daher das Ableiten von Molke nach den wasserabgabenrechtlichen Bestimmungen teuer bezahlt werden. Aber drohende Kosten machen erfinderisch. Die Industrie sucht seit Jahrzehnten preiswerte und gleichzeitig lukrative Entsorgungswege, neuerdings mit immer größerem Erfolg.
Man soll nicht annehmen, die Gesundheitsindustrie wisse nicht, was sie unter das Volk bringt. Ganz offensichtlich wird jedoch die allgemeine Unkenntnis über die Not der Milchindustrie, ihre Molken- und Milchzuckerberge loszuwerden, schamlos ausgenutzt. In völliger Verdrehung der Tatsachen mutiert schlecht zu vermarktende Molke zu einem bewusst aus Milch hergestellten Produkt, bei dem noch Weide- und Futterpflege betrieben worden sein soll. Wenn hier geweidet und gefüttert wurde, dann doch für das Käsearoma und nicht für die schnell verderbliche Molke.
Erstaunlich ist, dass die heute völlig denaturierte, hocherhitzte, aus Pulvern restituierte Flüssigkeit in ihren gesundheitlichen Auswirkungen mit der Molke vergangener Zeiten gleichgesetzt wird, die stets frisch genossen wurde. Sogar die berühmten Gesundheits-Molketrinkkuren des 18. und 19. Jahrhunderts, ebenfalls von den Reformhäusern wiederentdeckt, fanden wegen des schnellen Verderbs nur in der Nähe von Käsereien statt. Mitten in der Nacht wurde die Molke von den Sennhütten in die Dörfer getragen, wo die Heilsuchenden sie frühmorgens trinken mussten, denn mittags hätte sie schon verdorben geschmeckt. Kurorte wurden folglich diejenigen Orte und Regionen, in denen Käse hergestellt wurde und in denen deshalb kurzfristig frische Molke verfügbar war. Die berühmteste Region war die Gegend um Appenzell, deren Käse einer der bekanntesten wurde.
Mittlerweile scheint man hinzugelernt zu haben und weist in manchen Broschüren darauf hin, dass Molke bei der Gewinnung von Quark und Käse anfällt. Und offensichtlich hat sich auch herumgesprochen, dass sie für einen Teil der Menschheit ungesund ist…
Letzte Änderung am 12.06.2007